Nur ein mulmiges Gefühl

Die Kapelle lag im hellen Sonnenschein, als ich das alte schmiedeeiserne Tor aufstieß und den überschaubaren Friedhof betrat. Eine Vorortbeerdigungsstätte, von den Einwohnern des ehemaligen Dorfes liebevoll in der Nähe eines Flusses platziert, eingequetscht zwischen alten Gehöften und einem überdimensionierten Pfarrhaus.

Die Kirche leuchtete gelb, das kupferne Dach grün, ein kühler Wind blies vom Wasser. Die Gräber, vereinzelt in dem kleinen Hof, überwiegend neuer, doch nicht so neu, dass welkende Kränze die Luft versüßt hätten.

Ruhig war es, auf dem Parkplatz waren nur wenige Autos gewesen, keiner von ihnen wollte hierhin. Ich knipste, vermied die Grabsteine dabei, konzentrierte mich auf das Licht und dieses in diesem Moment so strahlende Gotteshaus.

Ein paar Schritte weiter, auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel, war es plötzlich da. Ein blödes Gefühl, so als wäre eben nicht ein sonniger Februartag sondern ein kalter Novemberabend, Totensonntag vielleicht und die Alten würden mit bleichen Gesichtern die besuchen, denen sie bald Gesellschaft leisten werden.

Ich zog Mann und Hund weiter, verließ den Hof durch ein weiteres kleines Tor, betrat den Weg, der sich blank am Rand des Flusses ausdehnte und atmete durch.

Einer ist über mein Grab gegangen. Das sagte die Oma immer, wenn sie erschauerte, ein kühler Hauch über ihren Nacken strich und sie sich ihrer Sterblichkeit und den Vorangegangenen schmerzlich bewusst wurde.

Ich schob den Hauch zur Seite, hielt die Sonne in die Nase und freute mich über zurückgekehrte Kraft. Ein, vielleicht eineinhalb Kilometer in die eine Richtung, dann wieder zurück mit dem gefüllten Hundehäufchentütchen und ein paar Fotos im Kasten.

Schon beim Betreten des Hofes war es wieder da. Ein guter Ort für alte Geister, keiner für mich. Ich ging schneller und atmete erst auf, als ich wieder am Auto war. Das Tor schloss ich sorgfältig. Was dort haust, soll bitte nicht entwischen.

Alice

7 Kommentare Gib deinen ab

  1. ruhland99 sagt:

    Ein schönes Bild für einen Friedhofsaufnahme. Friedlich die Kirche und dem auf deinem Bild fast greifbaren Himmel ganz nah. Da muss es einem doch nicht mulmig werden.

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    1. Ich kann es mir auch nicht erklären, es war wundervoller Sonnenschein. Manchmal ist das bei mir so…

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      1. ruhland99 sagt:

        Wohl bei jedem in irgendeinem Moment. Ist ja vorbei und das tolle Foto ist geblieben. Und das ist ja das Wesentliche dieses vergangenen Tages👍☀️

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      2. Ja, und die Geschichte dazu😊🙏🌷

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  2. tula sagt:

    Was dort haust, soll bitte nicht entwischen…………ohhh unbedingt soll das entwischen, ich freue mich immer total wenn diese vergangenen Zeiten sichtbar werden, sich sozusagen der Kreis wieder schließt. 🙂

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    1. Ich habe schon häufig solche Erfahrungen gemacht, das soll wirklich eingesperrt bleiben 😊👻

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      1. Tulacelinastonebridge sagt:

        Wenn es eingesperrt ist, kann es sich nicht erlösen, nicht auflösen.😟

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