Extraetüden im März – Mach mal lauter

Zu den Etüden bei Christiane.

Im Radio singt Harry Belafonte von einer Nacht im September, an die zu erinnern, es sich lohnt. Ich drehe das Radio lauter und lasse mich von der weichen Stimme davontragen. Irgendwo in Kindheitstagen klingt ein leises Instrument an und ich koste das Gefühl der Unbeschwertheit aus.

In meiner Erinnerung ist fast immer Sommer, es ist warm und jeder Sonnenuntergang ist eine Kaskade aus lilaroten Wolken. Taubenschwärme ziehen über die Kleinstadtsiedlung, fliegen empor und lassen sich von den lauen Winden tragen.

Meine Oma mag Forsythien, ihr Mann, der nicht mein Opa ist, hat Kaninchen. Ich stehe oft vor den Ställen und strecke die Hand hinein, streichele das flauschige Fell, lausche auf die Schritte, die mich nicht erwischen dürfen. Einmal lasse ich das Türchen offen, der Hund von nebenan findet den Ausreißer vor uns.

Die Siebziger liegen unter einem politischen Damoklesschwert. Ein dritter Weltkrieg ist möglich. Eine Kriegszeit, so kalt, dass mancher Verstand zu erfrieren droht. Mich stört es nicht. Ich tanze zu Boney M. und den Bay City Rollers.

Wenn die Musik erklingt, bin ich woanders. Und wenn die Welt nervt und mir Angst macht, dann gehe ich zum Radio und mache es einfach ein bisschen lauter.

Alice

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Christiane sagt:

    Genau. Wie du schon schreibst: Manchmal hilft wirklich nur, die Musik lauter zu machen und sich drin zu verlieren. Auf jeden Fall dem Verlieren in dunklen Gedanken vorzuziehen.
    Ich war sofort drin; bin aber bisschen zu jung für BCR.
    Liebe Grüße und danke 😁
    Christiane 😉🍷👍🎶

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    1. Ich eigentlich auch, aber mein Bruder ist ein Stückchen älter als ich 🙂

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  2. Reiner sagt:

    Schrill, bunt, schräg, laut. Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Sozialisation in den 70ern 🙂

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