Was ihr wollt

Ein bisschen zu früh wach, war ich heute, doch nicht so früh, dass es die leichten Kopfschmerzen erklären könnte, die im Hinterkopf leise bohren. Der Denkapparat ist heute Nacht heiß gelaufen und nun läuft er auf Reserve, leckt sich die Wunden.

Der erste Kaffee tut seine Wirkung, das Tablet gibt mir angstmachende Informationen über das Virus. Es breitet sich aus und ich fürchte,dass die Maßnahmen nicht reichen, es nur runterregeln und weiterhin fürchte ich, dass das genau das Ziel ist. Menschen dürfen sterben, doch nicht so viele, dass Panik entsteht. Denn noch fühlen sich viele sicher.

In meinem Kopf leuchtet eine alte Programmierung auf und führt zu durchgeschmorten Platinen. Ich hatte sie fast vergessen, auch wenn sie im Hintergrund lief, einschränkte, verbog, klein machte. Doch vor wenigen Tagen war sie weg, im Urlaub oder so, ich wunderte mich über das leichte und freie Gefühl, dass mich schon morgens besuchte, könnte den Finger nicht darauf legen, doch jetzt, wo sie mit voller Wucht zuschlägt, klettert sie wieder in mein Bewusstsein.

Der Schalter scheint umlegbar, er löst sich, wenn ich Grenzen setze. So nicht, meine Freunde, so nicht, brüllt es dann und ich wachse, schiebe die Kinderschuhe und das Kleinmädchendenken weit weg, mache mich groß und gigantisch, fülle mich aus und spüre, wer ich bin.

Vorübergehend, noch, doch da, ganz eindeutig, lebbar, erlernbar, schon gehabt und immer wieder losgelassen, eingetauscht gegen Gefallenwollen und Klappe halten, lieb, brav, angepasst und hilfsbereit. Die wahre Meinung blieb im Keller, wohl verschlossen hinter erlernten Schlössern und Riegeln. Doch jetzt und hier, ein Versprechen an mich. Nicht mehr für euch, nicht mehr bequem, nicht mehr klein und nicht mehr schwach. Der Wolf holt sein Gebiss aus dem Wasserglas, es wird Zeit. Das Bisherige ist keine Alternative mehr.

Was ihr wollt, was ich will, das muss nicht zwingend eins sein.

Alice